Was mir auffällt, seit ich vegane Blogs lese und nun seit einiger Zeit auch selber einen habe, ist die Tatsache, daß es
offenbar ganz normal ist, daß einige (etliche? viele?) Veganer sich
ab und an mal sogenannte "Ausnahmen" "leisten" in Hinsicht auf
Milchprodukte. D.h. man ißt etwas Unveganes, weil man irgendwo zu Besuch
oder unterwegs ist, und es sich halt so ergibt, oder weil man leidige
Debatten vermeiden will. Oder man ißt etwas Unveganes, weil man einfach
"Bock" drauf hat. Anschließend gelobt man
dann wieder, "artig" zu sein.
Solche Ausnahmen kommen auch
unwissenderweise vor, da man sich nicht gut genug über die
Zusammensetzung eines Produktes informiert hat, oder es sich im
Nachhinein herausstellt, daß während
des Herstellungsprozesses unvegane Substanzen zum Einsatz kamen.
Letztere Ausnahmen sind für mich allerdings total verständlich, und sie
geschehen ja nicht gewollt, sondern aus Versehen.
Ich möchte hier diejenigen Ausnahmen ansprechen, die ein
Veganer macht
1) aus Bequemlichkeit (weil in dem Moment nichts
anderes zu essen für ihn da ist) bzw. unter dem Aspekt des
Vermeidenwollens von Diskussionen mit dem sozialen Umfeld
oder
2)
aus schlichter Lust heraus, da der Appetit einen gerade mal überkommt,
doch einfach mal etwas zu essen, was eindeutig unvegan ist.
Nun
ziele ich mit meinen Gedanken, die ich hier zum Ausdruck bringe, auf
keinen Fall darauf ab, mit erhobenem Zeigefinger dazustehen und zu
kritisieren:
"Wie kann man nur so inkonsequent sein und immer wieder
mal zu Unveganem greifen, wo man doch von sich behauptet, man sei
Veganer!"
Dieses "Phänomen", daß es irgendwie im
Selbstverständnis eines Veganers liegt, sich ab und an auch mal
"Ausrutscher" zu leisten, scheint mir allerdings durchaus verbreitet zu
sein, und mir stellt sich da letztlich die Frage:
Gibt es überhaupt "richtige" Veganer???
Also welche, die nicht erst seit ein paar Monaten oder ein/zwei
Jahren, sondern
schon viele Jahre lang vegan leben, ohne bewußt Produkte konsumiert zu haben, die nicht ins vegane Schema passen?
Es
mutet irgendwie widersinnig an, daß ein Veganer einerseits stolz auf
sein Vegansein ist und sich ethisch über Vegetarier stellt, da
diese ja letztlich inkonsequent sind. Daß er sich so sehr dafür
einsetzt und plädiert, daß es bitte überhaupt gar kein Tierleid geben
möge, und
gleichzeitig sich aber die Freiheit herausnimmt, bei gewissen
"Anwandlungen" oder in bestimmten Situationen dann doch einfach mal
"zuzuschlagen". Um anschließend natürlich sofort wieder Besserung zu
geloben.
Ich denke, diese "Instabilität im Vegansein" ist damit
erklärbar, daß es einfach ein "unauffälligerer" und scheinbar nicht so
schwerwiegender Schritt ist, ausnahmsweise mal ein Milchprodukt zu
essen, als wenn ein Vegetarier, der ja Milchprodukte eh noch konsumiert,
plötzlich ausnahmsweise Fleisch essen würde. Denn am Fleisch hängt
definitiv und unmittelbar der Tod eines Tieres. Das geht also gar nicht.
An einem Milchprodukt hängt zwar ebenso Leid, aber nicht ganz so
unverdrängbar, also nicht der direkte Tod. Daher ist die Hemmschwelle
sicher kleiner, sich "mal" ein Milchprodukt zu erlauben.
Wie gesagt, diese Gedanken hier meine ich nicht verurteilend gegen alle "veganen Sünder" ;-). Ich frage mich nur ganz im Ernst:
Gibt
es
wirklich ganz konsequenten Veganismus?
Wie hoch mag die Zahl derer sein, die wirklich so vegan sind, wie sie es behaupten (also 100% vegan)?
Die
Frage nämlich, ob es tatsächlich 100%ige Vegetarier gibt, kann man meiner Erfahrung nach eindeutig mit JA beantworten. Da gibt es für mich keinen Zweifel.
Hingegen empfinde ich das Label "vegan", welches sich ein Veganer selbst
gibt, mittlerweile als nicht unbedingt 100% verläßlich/vertrauenswürdig.
Als
ich Vegetarier wurde, wurde ich dies von heute auf morgen. Ich konnte
die Bilder von den Schlachtungen und der Massentierhaltung nicht mehr
verdrängen und zog die Konsequenz. Da dies also eine ethische
Entscheidung war, und man Fleisch tatsächlich nur dann essen kann, wenn
ein Tier ganz und gar totgemacht werden muß, habe ich seitdem kein
Stückchen Fleisch mehr angerührt, ohne wenn und aber, ohne Rücksicht auf
Familie oder soziale Situationen, und ohne Rücksicht auf etwaige
Gelüste in der Anfangszeit. Sich gegen Fleisch zu entscheiden ist für
mich 100%
kompromißlos, ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich nochmal
Fleisch essen würde. Ich könnte es einfach nicht.
Nun, wo ich vegan lebe, ist es vom Empfinden aber in mir so, wie bei
anscheinend ganz vielen Veganern. Man lebt zwar vegan, doch letztlich
müßte es eher heißen: Man lebt so vegan wie möglich.
Denn auch
ich muß zugeben: Wenn
mich irgendwann einmal das
Verlangen überkommen sollte, dann werde ich ein Brot mit Butter drauf
essen. Und wenn der Tag einmal kommen sollte, werde ich auch eine Pizza
essen mit Käse drauf. Wann und ob dies sein wird, weiß ich nicht, aber
ich weiß: Ich kann das nicht ausschließen, und ich will es auch nicht
ausschließen.
Was
meinen Fall angeht, so spielt in mein persönliches Empfinden allerdings
auch ganz stark hinein, daß ich es mir aufgrund meiner gemachten
lebensgefährlichen Erfahrung mit restriktivem Eßverhalten nicht mehr
"leisten" kann, nochmal in einen solchen inneren Konflikt zu geraten.
Die Lehre aus dieser Zeit ist für mich ganz klar, daß ich in Zukunft
weniger verbissen mit selbstauferlegten
Verboten umgehen muß, mich keinesfalls mehr in eine Idee übermäßig
hineinsteigern darf.
Wie seht Ihr das mit dem 100% Vegansein, welche Einstellung habt ihr persönlich dazu?
Wie vegan findet Ihr Euch?
Und wie steht ihr zu "Ausnahmen"?
Liebe Grüße von Iris